Presseverbot im Verfahren am Landgericht Gießen Dr. (Bundelkhand University) Andrea Christidis gegen Stadt und Landkreis

 

 

Prof. Dr. Aris Christidis                                                                 Gießen, den 14.12.2018

 

Versuchsballon Geheimgericht in Gießen 

Presse unerwünscht

 

Gießen/Hessen Am 05.12.2018 sollte um 10.30 Uhr vor dem Landgericht Gießen über die Klage der Psychologin Dr. Andrea Christidis gegen die Stadt und den Landkreis Gießen verhandelt werden. Die Verwaltungsfachwirtin Frau Iris Manthey hatte ab 2010 (damals Vormündin der Stadt Gießen, heute stellvertretende Leiterin des Jugendamts Gießen) falsche Angaben über Dr. Christidis aufgestöbert, die in Behörden lagerten; diese hat sie rechtswidrig übernommen, gespeichert, verarbeitet und u. A. an den Landkreis Gießen übermittelt. Das Oberverwaltungsgericht Kassel hatte bereits 2015 die Rechtsbrüche gegen Datenschutzvorgaben und das Persönlichkeitsrecht von Frau Christidis festgestellt; aktuell ging es um die Feststellung der Schadenshöhe und der damit verbundenen Ansprüche von Dr. Christidis auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

 

Das Verfahren wurde erst gar nicht eröffnet. Vier erschienene Presseleute, die allesamt die Akkreditierung beantragt hatten, störten, zunächst den Prozessbevollmächtigten der Stadt, Rechtsanwalt (RA) Pflästerer, der sich sogar anmaßte, sich auf ein Drehverbot zu berufen (O-Ton): „Der Pressesprecher hat Ihnen doch Drehverbot erteilt!“ In der Tat bestätigte die BaWü-Gruppe unter den Journalisten, einen Tag zuvor vom Pressesprecher, Richter Dr. Balzer, ohne konkrete Begründung, eine Drehgenehmigung nur außerhalb des Gerichtsgebäudes erhalten zu haben. Das konnte jedoch der privatwirtschaftlich tätige Jurist Pflästerer nicht wissen (gesetzkonformes Gebaren des hessischen Gerichts vorausgesetzt), es sei denn, es ist zu einseitigen Berichterstattungen der Richter an die Anwälte der Stadt und des Landkreises gekommen.

 

Demonstrativ legte der badische Kameramann seine Kamera auf einen Tisch. Während Pflästerer ihn weiter belehrte, zog es der eher zurückhaltende Bevollmächtigte des Landkreises, RA Loubal, vor, wortlos den Saal zu verlassen, um die Wachleute und den stellvertretenden Pressesprecher, Herrn Schmitt-Kästner, zu rufen. Denn das Geschehen war vorerst sich selbst überlassen worden: Auch um 10:35 Uhr hatte es kein Richter auf sich genommen, das Verfahren sein eigenes zu nennen und es zu eröffnen.

 

Das herbeigerufene Wachpersonal stutzte, der angerufene stellvertretende Pressesprecher des Gerichts staunte, und die aus NRW angereisten Journalisten sprachen offen aus, dass sie sich an ihre Erfahrungen in türkischen Gerichtssälen erinnert fühlten – mit dem signifikanten Unterschied, dass dort staatliche Stellen unbescholtenen Bürgern unbewiesene Straftaten vorwarfen, während es hier um Straftaten ging, die ebenso unbescholtene Bürger mit gerichtlicher Hilfe staatlichen Stellen nachgewiesen hatten. Unüberhörbar sprachen die erfahrenen Fernsehjournalisten aus, dass es für sie vergleichbar wurde, ob sie in Gerichten der Türkei drehten oder – in Hessen.

 

Der stellvertretende Pressesprecher Schmitt-Kästner erteilte den Journalisten Dreh- und Hausverbot. Dann betrat Richter Prof. Dr. Gödicke den Gerichtssaal und erteilte den Journalisten ebenfalls Dreh- und Hausverbot, das er damit begründete, sie hätten Hausfriedensbruch begangen. Prof. Dr. Gödicke verlangte die sofortige Löschung der Speicherkarten. Als Antwort auf die Nachfrage der Presseleute, wer denn alles in einem öffentlichen Gebäude Hausverbote aussprechen dürfe, wurde die Gerichtspräsidentin Schmidt-Nentwig angerufen.

 

Zwischen gerichtseigenen Wächtern, irgendwo hergekommenen Wachpolizisten und nun auch eingetroffener Polizei erteilte auch die nunmehr erschienene Gerichtspräsidentin den Journalisten Hausverbot, mit der Behauptung, sie hätten sich des Hausfriedensbruchs schuldig gemacht und verlangte ebenfalls die sofortige Löschung der Aufnahmen. Sie verwies jegliche Presse des Gerichts – ob mit oder ohne Akkreditierung, Kamera oder Drehgenehmigung – und veranlasste sogar die Beschlagnahmung zweier Kameras, die auch beim Verfassen dieser Pressemitteilung ihrem Eigentümer nicht zurückgegeben worden waren. Die Maßnahme traf ausgerechnet die NRW-Journalisten, die auf ihr Akkreditierungsgesuch (für das ohnehin öffentliche Verfahren) keine Antwort erhalten hatten.[1]

 

Im Nachgang wurden die Journalisten, allem erteilten Hausverbot zum Trotz, am Verlassen des Gebäudes gehindert. Sie wurden von ca. 10 Wachleuten und herbeigerufenen Polizisten einer Personen- und Taschenkontrolle unterzogen. Die Gerichtspräsidentin erstattete, in Anwesenheit zahlreicher Besucher des Gerichts, darunter mehrerer Prozessbeobachter, Strafanzeige bei der Polizei wegen Hausfriedensbruchs.

 

Prof. Dr. Gödicke, der den Prozess führen wollte, konnte nicht erklären, wieso er der zuständige Richter sein sollte, ohne im Geschäftsverteilungsplan[2] (GVP) als Mitglied des zuständigen 3. Senats aufgeführt zu sein.[3] Nichtsdestotrotz bat Gödicke die Beteiligten, in den Saal zu treten, damit die Verhandlung beginne – wozu der Anwalt der Klägerin, RA Manfred Müller, mitnichten bereit war. Er lehnte den ungebetenen Richter wegen Befangenheit ab, zum einen, weil dieser seine Befugnis für das laufende Verfahren nicht nachweisen konnte, zum andern, weil er in einem öffentlichen Prozess innerhalb eines öffentlichen Gerichtsgebäudes die Öffentlichkeit ausschließen wollte.

 

Noch bevor die Prozessbeteiligten das Gericht verließen, hatten sich somit, neben dem Pressesprecher des Landgerichts Dr. Balzer und seinem Stellvertreter Schmitt-Kästner, der sich zuständig wähnende Prof. Gödicke und die -immerhin dafür zuständige- Gerichtspräsidentin Schmidt-Nentwig den Forderungen der Bevollmächtigten von Stadt und Landkreis Gießen angeschlossen und eine Prozessbeobachtung durch die Presse verboten. Möglicherweise war gar die angeordnete Beschlagnahmung von zwei Kameras durch die Präsidentin ein Akt im Sinne der richterlichen Unabhängigkeit (von Recht und Gesetz), womit sie alle toppen wollte.

 

 

Zur Vorgeschichte des Verfahrens

 

Das Hessische Oberverwaltungsgericht hatte im Jahr 2014 entschieden, dass die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung (und damit auch die Weitergabe) der nicht bei der Klägerin selbst erhobenen Daten, um die es in diesem Verfahren gehen sollte, rechtswidrig sei. Dr. Christidis hat im Jahr 2017 fristgerecht Amtshaftungsklage vor dem Landgericht Gießen erhoben und Schmerzensgeld verlangt, weil ihr zahlreiche, von Eingriffen des Gießener Jugendamts betroffene Eltern, die sich hilfesuchend an sie gewandt hatten, mitgeteilt hatten, sie seien vor ihr gewarnt worden: Dr. Christidis sei keine Psychologin; sie habe gar keine akademischen Abschlüsse. Das hätten Jugendamtsmitarbeiter ebenso wie Amtsträger des Landkreises Gießen so gesagt.

 

Diese Vorhaltungen hat der Landkreis Gießen vor Gericht schriftlich bestritten – d.h.: Entweder eine hohe zweistellige Anzahl von Zeugen, oder die Justiziarin und Oberverwaltungsrätin Frau Ulrich (damals Djidonou) sagen die Unwahrheit. [4]

 

Während der Recherchen zum laufenden Verfahren ergaben sich weitere Hinweise auf erhebliche Datenschutzverletzungen, Denunziationen und Kriminalisierungsversuche gegen Dr. Christidis, sowohl durch die Stadt, als auch durch den Landkreis Gießen, denen sie nachging. Dabei erhielt sie erstaunliche Informationen über ein informelles Netzwerk, das mutmaßlich korrupte Amtsträger mit Interessensgruppen aufgespannt hatten, um sich gegenseitig als „Zeugen“ und „Quellen“ für angebliche „Enthüllungen“ über die Person und die Arbeit von Christidis zu nutzen. So fand sich z.B. eindrucksvoller Schriftverkehr des Landkreises Gießen mit dem Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. (BDP), dem Schutzpatron Hunderter entlarvter Gefälligkeitsgutachter. In der Korrespondenz  „bestätigten“ sich der Landkreis und der BDP gegenseitig, was sie zuvor kolportiert hatten, Dr. Christidis habe nie einen Hochschulabschluss erworben [5] [6]. Immerhin sind bundesweit mit vorsätzlich falschen Gutachten, allein in den letzten Jahren, Hunderttausende von Kindern ihren Familien (als angeblich „gefährdet“) entrissen worden, womit für die betroffenen Familien und (bei mangelnder Liquidität) für die Steuerzahler Zahlungen in Höhe von (noch unbekannt wie vielen) Milliarden Euro an privatwirtschaftliche „Kinderretter“ begründet wurden.[7]

 

Die sich selbst als Gerichtsreporterin bezeichnende Inka Friedrich hat, eigenen Angaben zufolge, Informationen von Oberamtsanwalt Linscheidt von der Staatsanwaltschaft Gießen und von einer Mitarbeiterin des Landkreises Gießen erhalten, Christidis bezeichne sich zu Unrecht als Psychotherapeutin. Die Journalistin veröffentlichte nicht nur (am 05.12.2015) im Gießener Anzeiger diese falschen, zudem unaufrichtig erworbenen Angaben. [8] In vorauseilendem Gehorsam denunzierte sie Christidis gegenüber der ARD-Redaktion PlusMinus, die kurz zuvor eine Sendung über kostspielige Falschgutachten mit Christidis als Expertin ausgestrahlt hatte. Der Landkreis Gießen stritt ab, dass er Frau Friedrich Informationen erteilt haben soll. Auch die Staatsanwaltschaft Gießen wollte ihr keine Angaben gemacht haben. Eine sehr persönliche E-Mail von Frau Friedrich an Staatsanwältin Katharina Nowak, die in einer der zahlreichen Akten anlag, gewährte Einblick in den fraternisierenden Ton innerhalb des Netzwerks. [9]

In dem Verfahren vor dem Landgericht Gießen, Vorsitzender Richter Schrader, musste sich Inka Friedrich verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, Christidis zu verunglimpfen. [10]

 

 

Über die Motive der jahrelangen Denunziationskampagne gegen Dr. Christidis lässt sich vorerst nur mutmaßen:

 

Im Jahr 2004 und danach deckte Christidis (damals Jacob) sexuelle Gewalt und Misshandlungen jugendlicher Insassen in der JVA Rockenberg [11] (Hessen) auf sowie rechtsradikale Umtriebe [12] und Ausbeutung Schutzbefohlener in der Ev. Jugendwerkstatt Gießen [13]. Seit 2008 entlarvte Christidis unzählige vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch erstellte Gutachten in Unterbringungs- und Kindschaftsverfahren [14]. Daraufhin wurde sie ab 2009 massiv mit Kriminalisierungsversuchen angegriffen.

 

Im Jahr 2013 unterstützte Christidis eine junge Mutter, deren zwei Kleinkinder unter fadenscheinigen Begründungen durch das Jugendamt Gießen weggenommen worden waren. Bei der Akteneinsicht im Jugendamt entdeckten sie, dass die Unterschriften der jungen Frau auf einem Hilfeplan und auf einem angeblichen Antrag auf Unterbringung ihres Kindes gefälscht worden waren. Zeugen jenes Hilfeplangesprächs versichern eidesstattlich, dass diese Unterschrift nie geleistet – ja sogar vehement verweigert – wurde. Dr. Christidis unterstützte diese Mutter, einen Strafantrag zu verfassen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Gießen über viele Monate weder telefonisch, noch schriftlich Auskunft erteilte, erschienen beide Frauen mit einem Anwalt und weiteren Zeugen bei der Staatsanwaltschaft. Alle nahmen es auf sich, etwa 1,5 Stunden bis zur Herausgabe eines Einstellungsbescheids mit lange zurückliegendem Datum, verfasst von Staatsanwalt Bause, zu warten. Dieser Einstellungsbescheid enthielt die Begründung (Zitat): „Alle nach Lage der Sache gegebenen Möglichkeiten, den Täter zu ermitteln, sind ausgeschöpft worden. (…) Sie haben keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Täterschaft einer bestimmten Person oder auch nur eines bestimmten Täterkreises ergeben. (…) Die Strafverfolgungsbehörden werden die Angelegenheit im Auge behalten.[15]

Was die Staats­anwaltschaft tatsächlich „im Auge behalten“ hat, waren ersonnene Delikte im In- und Ausland zur Kriminalisierung von Dr. Christidis, wobei sie mit Unterstützung der Stadt- und Kreisverwaltung jahrelang alle „gege­be­nen Möglichkeiten (…) ausgeschöpft“ hat.

 

Im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung forderte Christidis im Sommer 2018 über ihren Anwalt sämtliche Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und die bei Stadt und Landkreis angelegten Akten über ihre Person an. Die Aktensichtungen erbrachten eindrucksvolle Erkenntnisse.

Die vom Landkreis bestrittenen Verbreitungen ihrer Daten fand Christidis in den Akten widerlegt und amtlich (quasi: gewissenhaft) dokumentiert [16]. Es fanden sich zudem zahlreiche Strafanzeigen gegen sie und unter anderem ein Schreiben vom Januar 2014 an den Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. (BDP), dem gegenüber falsch angegeben wurde, Christidis verfüge über keinen Hochschulabschluss. Die Verfasserin, Frau Oberverwaltungsrätin Stefanie Ulrich (damals Djidonou), wollte Anzeige gegen Dr. Christidis erstatten – beim BDP, einem privaten Verein, dem die Psychologin nicht angehört, zumal sie ihn wiederholt der Verteidigung von Gefälligkeitsgutachten beschuldigt hat.[17]

 

Der BDP nutzte die nächstbeste Chance, um seinerseits Christidis öffentlich zu verunglimpfen. Christidis obsiegte in einem Unterlassungsverfahren vor dem Landgericht Wuppertal (2017). Der BDP ging in Berufung; die Vertreterin des BDP-Vorstands, Anja Kannegießer, behauptete, ihre Aussage, Christidis verfüge über keine adäquate Qualifikation, sei lediglich ihre freie Meinungsäußerung gewesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf bescheinigte zwar in zweiter Instanz Christidis, dass sie eine höhere Qualifikation als ihre Denunziantin habe. Die Aussage, Dr. Christidis verfüge über keine Ausbildung, stuften jedoch die Richter Drossart, Dr. Schumacher und Dr. Weith am OLG Düsseldorf (2018) nicht etwa als Tatsachenbehauptung, sondern als „Meinungsäußerung“ (der zumal als niedriger qualifizierten Psychologin Dr. jur. Kannegießer) ein. Die bundesweit agierende Fürsprecherin von Gefälligkeitsgutachten obsiegte und denunziert Frau Christidis im Internet bis heute [18]. Die eingereichte Klage beim Bundesverfassungsgericht ist bis dato noch nicht entschieden worden.

 

Fast zeitgleich mit Frau Ulrich (2014) erstattete der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Gießen, Dirk Oßwald, Strafanzeige gegen Christidis bei der Staatsanwaltschaft und behauptete dort, ebenfalls wahrheitswidrig, Christidis habe keinen Hochschulabschluss [19]. Gegen Christidis wurde daraufhin vier Jahre lang im In- und Ausland ermittelt.

 

Bei der Akteneinsicht stellten Christidis und ihr Anwalt fest, dass selbst die Staatsanwaltschaft dem Landkreis Gießen schon im Jahr 2015 mitgeteilt hatte, es könne (Zitat) „nicht widerlegt“ werden, dass Christidis akademische Abschlüsse habe [20]. Staatsanwälte hatten aber inzwischen Ideen entwickelt, wie man sie dennoch wegen Titelmissbrauchs anklagen könnte: Die öffentlichen Ankläger stellten das Ermittlungsverfahren ein und konstruierten einen Straftatbestand mit der Behauptung, Dr. Christidis habe ihre unbestritten vorhandenen akademischen Titel inkorrekt geführt. [21]

Dr. Christidis wurde im Oktober 2016 vom Amtsgericht Gießen unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Wack vom Vorwurf des Titelmissbrauchs aus rechtlichen Gründen freigesprochen[22]. Zuvor war die korrekte Führung ihres akademischen Grades vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst bestätigt worden, die Bonner Kultusministerkonferenz hatte (2015) die akademische Qualifikation von Frau Dr. Christidis als geeignet (Zitat) „für eine Tätigkeit als habilitierter Wissenschaftler“ bezeichnet.

 

Gegen die Entlastung von Dr. Christidis legte die Staatsanwaltschaft Gießen Berufung ein. Noch vor Einreichung der dafür benötigten Begründung bekam sie politische Schützenhilfe: Einen Monat nach Freispruch von Christidis erstattete die Landrätin des Landkreises Gießen, Anita Schneider, Strafanzeige gegen die Psychologin. Ob in wissenschaftlichen Kreisen etabliert, ob ministeriell beglaubigt und nun auch gerichtlich bestätigt: Die frühere Leiterin des Stadtjugendamts Frankfurt am Main Schneider behauptete (ganz in der Art einer Landgräfin), Dr. Christidis habe nie über einen Hochschulabschluss verfügt [23]. Die Staatsanwaltschaft griff das dankbar auf und begründete ihre Berufung damit, nun müsse ermittelt werden, ob Christidis nicht der akademische Grad aberkannt wurde, ob nicht mindestens eine der von ihr besuchten indischen Universitäten geschlossen und die akademischen Grade annulliert worden seien. Das habe Interpol herausgefunden.

 

Das Landgericht fragte also bei Interpol an, von wo auf den diplomatischen Dienstweg verwiesen wurde. [24] Nachdem einige etwas „frisierte“ Übersetzungen mit Hilfe vereidigter Dolmetscher zurechtgerückt wurden, während mehrere Richter sich als verhindert abmeldeten, erreichten die schließlich gewonnenen Antwortschreiben den Richter am Landgericht Söhnel – den mittlerweile sechsten Vorsitzenden in dieser Sache. Inzwischen waren u.a. die mittelhessische Polizei, das Landes­kri­mi­­nalamt, das Bundeskriminalamt, das Auswärtige Amt, die deutsche Botschaft in Neu-Delhi und Interpol involviert worden. Ein Teil der eingeschalteten in- und ausländischen Behörden erklärte sich für nicht zuständig; die übrigen bestätigten die Echtheit und Gültigkeit der akademischen Würden von Dr. Christidis. [25] Sie wurde vom Landgericht Gießen am 08.11.2017 auch in zweiter Instanz aus rechtlichen Gründen freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft legte am selben Tag Revision gegen das Urteil ein, die sie einen Monat später zurücknahm [26]. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt.[27]

 

Möglicherweise lag der Plan B für den „Tag danach“ schon in einer staatsanwaltschaftlichen Schublade: Am 09.11.2017, nachdem nun alle Wege durchschritten waren und keine Gelegenheit übrig blieb, die Korruptionsfeindin Christidis mundtot zu machen, griff die Staatsanwaltschaft zum scheinbar letzten verbliebenen Verzweiflungsakt: So tun, als wäre noch gar nicht Feierabend.

Just einen Tag nach dem letztinstanzlichen Freispruch übermittelte die Staatsanwaltschaft Gießen, mit Wissen und Billigung des Hessischen Justizministeriums, ein Rechtshilfeersuchen an die deutsche Botschaft in Neu-Delhi, sie möge dem dortigen Außenministerium eine Verbalnote übersenden, um die gerichtlich mehrmals ermittelten Tatsachen ein weiteres Mal zu ermitteln: [28] In good old Germany bitte man freundlich um Auskunft darüber, wann und aus welchem Grund wenigstens eine University geschlossen worden sei – vor allem aber, wann und auf welchem Wege Christidis die Aberkennung ihres akademischen Grades verbindlich mitgeteilt worden sei. Die Angelegenheit habe in Deutschland höchste Priorität, und man behalte sich ausdrücklich vor, in ähnlich prekären Fällen sich auch deutscherseits erkenntlich zu zeigen.

 

Wie die Recherche von Dr. Christidis und ihrem Anwalt Manfred Müller zu Tage förderten, folgte auf das Rechtshilfe­ersuchen – Stille. Die von der Staatsanwaltschaft im Juli 2018 verfügte Wiedervorlage der Akten, um Monate nach dem rechtskräftigen Freispruch noch eine Reanimierung des Verfahrens zu versuchen, ging ins Leere. [29]

Ein vor Ort (Neu-Delhi) tätiger Notar versicherte schließlich eidesstattlich gegenüber Dr. Christidis, dass kein Universitätsbetrieb eingestellt und keinerlei akademische Grade aberkannt worden seien. Vor allem sei aber unwahr, was die Ermittlungsbehörden in Deutschland unterstellten, nämlich, dass sie aus Indien keine Auskunft erhalten hätten. Dreimal habe bereits die Staatsanwaltschaft Gießen verbindliche Stellungnahmen des örtlichen Bildungsministeriums und der angefragten Universität zum selben Sachverhalt erhalten, stets mit demselben Inhalt: dass die angefragten unter den Universitätsabschlüssen von Christidis rechtmäßig erworben und weiterhin gültig seien. Der Notar versicherte diese Angaben an Eides Statt und beurkundete diese seine Aussage gegenüber einer Behörde. [30] Telefonisch teilte er Christidis mit, dass die indischen Behörden auf die ständigen Anfragen aus Gießen wohl nicht mehr reagieren würden – sozusagen: Indische Staatsbedienstete attestierten deutschen Amtskollegen unterirdisches Niveau.

 

Wer an ein „Happy End“ inmitten des real existierenden Sumpfes geglaubt hat, sah sich nun getäuscht:

Nicht nur die „Meinungsfreiheit“ der Minderqualifizierten des BDP (gem. Aussage des OLG Düsseldorf) bleibt als Dreckschleuder erhalten. Es gibt vielmehr eine Auswahl deutscher Blogger, die offen und mit Stolz verkünden, staatliche Denunziationsaufträge auszuführen. Bei ihnen hat Dr. Christidis einen exponierten Platz. Verortet z.T. in den Seychellen [31] sind nicht nur ihre Websites vor Löschung sicher und sie selbst nur mit erheblichem Hacker-Aufwand identifizierbar. Vielmehr ist ihnen gegenüber (anders als etwa bei GEMA-Kopierern oder Islam-Predigern) der deutsche Tiefe Staat bei all seinem Bedauern leider nicht in der Lage, sie vom deutschen Netz auszuschließen. Die von deutschen Verfassungsorganen betriebene Schlammschlacht gegen Dr. Christidis kann somit weiter laufen, die unter staatlicher Aufsicht laufenden, privatisierten Menschenrechtsverletzungen auf der Grundlage angeblicher „psychologischer Gutachten“ können ungehindert weitergehen, Menschen werden weiterhin ihrer Kinder und/oder ihrer Freiheit beraubt, während eine der wenigen Stimmen gegen das zeitgenössische Mittelalter beliebig häufig und wahrheitswidrig kriminalisiert werden darf. [32]

 

Bei Gesprächen mit unvorbelasteten Menschen stellt sich oft heraus, dass die Motive für diese „PPP“ (Public Private Partnership) vielen nicht vertraut sind:

 

Spätestens seit der „Reform“ des Familienrechts Ende der 1990er und der Privatisierung von Teilen der sozialen Fürsorge (Kinderheime, Erziehungshilfe, Kinderschutz) ist bundesweit ein neuartiger Markt von jährlich mehreren Zehnmilliarden Euro entstanden. An ihm hängen zwar keine ernstzunehmenden Arbeitsplätze – dafür aber eine Kaste staatlich unterhaltener Marktteilnehmer, die (allein bezogen auf Mittelhessen) viele Hunderte von Karrieren umfasst: Psychologen, Psychiater, Pädagogen, Sozialarbeiter, Gutachter, Anwälte etc., die, bar aller Qualifikation, Anstrengung und Skrupel, an gerichtlich verordneten Aufträgen verdienen und dabei sogar die öffentlichen Haushalte nur in Ausnahmefällen belasten. Denn in der Regel holen sich Gerichte und Ämter die Zusatzkosten wieder bei den gelinkten (als schizophren, borderline, paranoid etc. diagnostizierten und dann entsorgten) Eltern ein.

 

Die Mächtigkeit dieses Marktes lässt sich schon daran ablesen, dass (erst) seit ein paar Jahren von einer Sozialpolitik für „Alleinerziehende“ gesprochen wird. Da geht es weder um Kriegswitwen, noch um Gefangenen- oder Matrosenbräute, weder um Vergewaltigungsopfer, noch um mit ihren Kindern allein geflüchteten Folteropfern, sondern um einzelne Elternteile, die für ihr Kind (ob daheim oder im Heim) aufkommen müssen, während der andere Elternteil mit den Kosten für „Anwälte des Kindes“ (Verfahrensbeistände), Erziehungshilfen, Fake-Gutachten, Gerichtskosten etc. so weit ruiniert wurde, dass er nicht mehr für sein Kind bezahlen kann. Richterliche Karrieren können davon nur profitieren, wenn so für Recht erkannt wird, wie die o.a. (erst seit der o.a. Reform eingeführten) Mitwirkenden zuvor geraten haben: Keine übergeordnete Instanz wird es wagen, so einen Beschluss aufzuheben.

 

Manchen ist nicht bekannt, dass Kinder, die einen oder beide Elternteile verloren haben, unruhig sind. Gütig erklären sich Pharmaunternehmen bereit, ihre modernen (aber leider Gottes noch nicht zugelassenen) Präparate dort testen zu lassen, wo unter staatlich-richterlicher Aufsicht auch über alle Vorkommnisse ordentlich Buch geführt wird [33]. In manchen Fällen will man sicherlich auch den Einfluss eines neuen Mittels auf die kindliche Sexualität wissen; dann hilft evtl. ein geeignetes Ambiente, das Amtsträger, buchstäblich eigenhändig, prüfen lässt [34].

 

Da stören natürlich fachkundige Gegengutachterinnen (zumal mit der jahrzehntelangen Ausdauer von Dr. Christidis) ebenso wie aus dem „föderalen Ausland“ (hier: BaWü und NRW) angereiste Journalisten: Einzelne der oben Erwähnten hatten sich z.B. in der Vergangenheit Anerkennung (und  Blessuren) mit ausgedehnten Recherchen (und Krankenhausaufenthalten) zum sog. Sachsen-Sumpf geholt. Doch sie waren am 05.12.2018 in Gießen allenfalls für Gerichte, aber mitnichten für den real existierenden hessischen Kindermarkt akkreditiert.

 

Da weder das profunde Aufdecken vorsätzlicher Falschbegutachtung, noch die freie Berichterstattung (vorerst) strafbar ist, erweisen sich mancherorts, auch in Mittelhessen, Titelmissbrauch und Hausfriedensbruch durchaus als probate Mittel zur Erhaltung der herrschenden Ordnung. Und wenn das alles nichts hilft, weil sich redliche Juristen in die real existierende Richterschaft eingeschlichen haben, so dass die anderen ihre „auf Lebenszeit“ verliehene, vermeintlich demokratische Legitimation gefährdet sehen – ja dann hilft nur noch Gewalt gegen Reporter und Konfiszierung ihrer Kameras, damit alles unter dem Mantel der Verschwiegenheit bleibt. Der Verschwiegenheit der mittelhessischen Lokalpresse sind sich die Akteure schon seit vielen Jahren sicher.

 

 

[17] Weshalb Frau Ulrich und der Landkreis Gießen ihre Anzeige nicht z.B. bei einem Fingerhakeln-Verein eingereicht haben, muss an anderer Stelle geklärt werden.

 

[32] Man könnte es als Sieg des Rechtsstaats feiern, dass die letzte Aufforderung an Frau Christidis, Weihnachten im Frauengefängnis Frankfurt zu verbringen, auf das Jahr 2012 datiert. Damals hatte die Staatsanwaltschaft zugeben müssen, dass gegen die Psychologin keine rechtskräftige Verurteilung vorlag (die bislang auch nicht kam).