Geschäftsmodell: Jugendhilfe?

siehe auch: Behoerdenstress-News
(SE) Ein Aritkel von Herrn Prof. Dr. Christidis aus Gießen, der zum Nachdenken Anlass geben kann. (Kff)

Prof. Dr. Aris Christidis, Gießen: Im Januar d. J. wurde bundesweit über Methoden der mittelhessischen Kreisjugendämter Gießen und Vogelsberg berichtet (s.a. http://sozialenergie.de/das-geschaft-mit-dem-kindeswohl.html ). Im folgenden soll über weitere Auswüchse und ihre Auswirkungen auf das Leben von Kindern berichtet werden:

Im April 2010 trennte sich das Ehepaar M. im Vogelsbergkreis, als Herr M. feststellte, daß seine Frau die Kinder mißhandelte. Nach Rücksprache mit der überforderten Ehefrau nahm Herr M. seine zwei leiblichen Kleinkinder zu Verwandten in Gießen. Dort befand sich schon seine ältere Stieftochter aus demselben Grund; das Stadtjugendamt Gießen hatte sich ihrer angenommen, ein vom Familiengericht eingesetzter Verfahrensbeistand hatte erste Erholungszeichen attestiert.

Im Mai bzw. Juni 2010 richtete das Jugendamt Vogelsberg für die nunmehr in Trennung lebende Mutter Susanne M. eine Ambulante Erziehungshilfe (AEH) ein. Mit der Hilfe wurde Herr Harald R. von einem Träger der freien Jugendhilfe beauftragt. Im September 2010 verzog Frau M. vom Vogelsbergkreis nach Grünberg (Kreis Gießen). Das Kreisjugendamt Gießen übernahm sogleich die Betreuung für die Familie und setzte Frau Ga., eine weitere AEH, in der Familie ein. [1]

Mißhandlung? Alles Lüge!

Nach Konsultationen mit den Jugendämtern übertrug schon im Mai 2010 die Gießener Familienrichterin Frau Mann das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf Frau M.; die Gewalttätigkeit war dabei kein Thema, Aussagen der Tochter aus erster Ehe wurden als erfunden hingestellt. Das wurde, umgekehrt, kurz darauf zur Grundlage für eine Anklage gegen Herrn M. wegen Kindesentziehung, was ihn über gut zwei Jahre verfolgte, bis (im Sommer 2012) der Vorwurf fallen gelassen wurde. Im August 2010 wurde der Umgang des Vaters Herrn M. mit seinen Kindern gerichtlich geregelt.

Als zwei Jahre später Herr M. sich über das Gießener Kreisjugendamt beschwerte, weil es ihm den Umgang mit seinen Kindern grundlos vereitelte, erhielt er, im September 2012, ein Schreiben des Landkreises Gießen über einen „Wechsel der Zuständigkeit“ des Jugendamtes zurück in den Vogelsbergkreis. [2] Da er hierfür in Gießen keine nachvollziehbare Begründung bekam, schrieb er den Vogelsbergkreis an, der ihm antwortete, daß gem. § 86.5 SGB VIII und der aktuellen Rechtsprechung der Landkreis Gießen nie zuständig gewesen sei.

Die zweifelhafte Rolle des unzuständigen Kreisjugendamts Gießen veranlaßte Herrn M., Akteneinsicht zu verlangen; er mußte sie erst erklagen. In den Akten fand sich eine Email der zuständigen Fachkraft Frau Stankov vom Kreisjugendamt Vogelsberg an ihren Kollegen Herrn Klemer von der Wirtschaftlichen Jugendhilfe (WiJuHi), in der sie darüber informiert, daß „Frau M. (…) bisher mit 20 Stunden im Monat von Herrn R. betreut (wird), die Kinder David und Susan mit 25 Stunden über Frau Ga.. Julia befindet sich vollstationär in der Mädchenwohngruppe (…) in Gießen. Am 01.10.12 wird die Familienhilfe sowie die § 34-Maßnahme für Julia vom VB-Kreis übernommen. [1]

Als die Berichte laufen lernten

In den Akten des Vogelsbergkreises fehlten sämtliche Hilfepläne und Berichte der AEH. Die vorgenannte Fachkraft des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) vom Vogelsbergkreis, Frau Stankov, beklagte auf Anfrage diesen Umstand damit, daß der Landkreis Gießen trotz erfolgter Übergabe die Unterlagen des Familienhelfers nicht herausgegeben habe. [3] Daraufhin forderte Herr M. auch Akteneinsicht in die Akten des Kreisjugendamts Gießen. Dieses bestritt aber, Akten oder Aktenkopien der Familie M. zu besitzen. Diese seien sämtlich an das Kreisjugendamt Vogelsberg abgegeben worden. [4]

Etwa drei Monate später, am 27.12.2012, räumte der Landkreis Gießen gegenüber dem angerufenen Verwaltungsgericht ein: „In dem Streitverfahren Dennis M. ./. Landkreis Gießen teilen wir anlässlich des Schreibens des Antragstellers vom 14.12.2012 (…) mit, dass dies­seits zwar zunächst vorgetragen wurde, dass sich in unserem Hause keine Akten befänden, dies jedoch nicht den Tatsachen entspricht.“ [5]

Herr M. machte sich immer größere Sorgen um seine kleinen Kinder; Grund für die Trennung war schließlich gewesen, daß seine Frau die Kinder mißhandelt hatte. Inzwischen hatte er aus den Akten erfahren, was das früher für seine Stiefkinder zuständige Jugendamt (in Niedersachsen) schon 2005 an Mittelhessen gemeldet hatte, nämlich, daß seine Frau auch in ihrer ersten Ehe ihre Kinder mißhandelt hatte. Bis dahin hatte er noch an einen plötzlich aufgetretenen, fortschreitenden Kontrollverlust geglaubt. Die Anwesenheit der Helfer vom Jugendamt in den ersten Jahren seiner Ehe hatte er sich mit der Traumatisierung der Kinder durch ihren leiblichen Vater erklärt / erklären lassen. [6]

„Hämatome am ganzen Körper

Nach Monaten des Streits mit den beiden Jugendämtern erhielt Herr M. nun auch die Akten des Landkreises Gießen. Hier fand er dokumentiert, daß die beiden älteren Töchter seiner Frau aus erster Ehe bereits von beiden leiblichen Eltern mißhandelt worden seien (Zitat: „Hämatome am ganzen Körper“); auch ihr Ernährungszustand sei bedenklich gewesen. [6] Er staunte zudem nicht schlecht, als er die erhaltene Aktenkopie sichtete und feststellen mußte, daß inzwischen eine weitere (dritte) Ambulante Erziehungshelferin in der Familie eingesetzt war. So fand sich in den Akten, neben Herrn Harald R., der mit 20 Std. angesetzt wurde, und der vorgenannten Frau Ga. (mit 25 Std.) auch eine Frau H. J. (mit 25 Std.). [7] Das machte immerhin 70 Stunden im Monat bzw. 17,5 Stunden pro Woche. Eine kurze Überschlagsrechnung ergab schon, daß die Kleinkinder wie die verbliebene, jüngere Tochter aus erster Ehe 3,5mal die Woche (mo.-do. und jeden zweiten Fr.) von ihrer Mutter und einmal von ihrem Vater nach der Schule bzw. dem Kindergarten über max. 7 Stunden (13-20 Uhr) versorgt wurden. Die Hälfte der Wochenenden (berechnet mit 12 Betreuungsstunden je Tag, 8-20 Uhr) war dem Vater zugestanden. Das heißt, in den (3,5×7+12=) 36,5 Stunden mütterlicher Betreuung wurde mit 17,5 Stunden abgeholfen. Wie den ASD-Berichten zu entnehmen war, sorgte Mutter Frau M. schließlich jedoch nicht über (36,5-17,5=) 19 Stunden in der Woche für ihre Kinder. Die involvierten Jugendämter stellten vielmehr je eine Fachkraft für Frühförderung und Logopädie mit wöchentlich je einer Stunde zur Verfügung, weil bei den Kleinen inzwischen Entwicklungsverzögerungen diagnostiziert wurden. Aber ob die verbleibenden max. 17 Stunden Kinderbetreuung für die Kindesmutter leistbar waren, blieb fraglich. Fortschritts- oder Aktivitätsberichte der AEH gab es nur seitens Herrn R., verborgen blieb, wie viele Stunden für die vollstationär untergebrachte Tochter aus erster Ehe angerechnet wurden. Bekannt ist, daß eine Betreuung wie jene, die dort eingesetzt war, mindestens 12 Stunden in der Woche (d.h. mind. 48 im Monat) für das Mädchen berechnen mußte. Eine Prüfungsaufgabe für Verwaltungsberufe wäre es, zu ermitteln, ob man nun behaupten darf, Frau M. habe für (17-12=) 5 Stunden in der Woche die Verantwortung für ihre Kinder getragen. Studierende der Psychologie könnten in ähnlicher Weise die Frage behandeln, wie es dazu kam, daß ein ebenfalls involvierter Psychologe den beiden Kleinen nach jedem längeren Aufenthalt bei ihrem Vater Entwicklungsschübe attestierte.

Ausufernde Hilfe

Unabhängig davon, ob nun die Kinder ihrer Mutter für 17 oder 5 Stunden in der Woche über­lassen wurden, hatten die ASD-Fachkräfte offenbar weiterhin Grund zur Sorge. Deswegen wurde eine weitere Helferin, Frau Ge., eingesetzt, über deren Stundenzahl sich in der gesamten Akte kein Hinweis fand. [8] Erinnert sei daran, daß der mitsorgeberechtigte Kindesvater Herr M. in den bis dahin 2,5 vergangenen Jahren nur über den Einsatz von Herrn R. erfuhr. Er kämpfte weiterhin mit allen Mitteln darum, seine Kinder mehr zu sehen und sie zu fördern und seine Unschuld gegen den Vorwurf der Entführung zu beweisen. Inzwischen war er auch noch arbeitslos geworden; denn der Kontrollverlust seiner Ehefrau ergab, daß sie ihn bei seinem Arbeitgeber denunzierte, den Betrieb zu schädigen. Schließlich hatte er das Angebot des Chefs angenommen, sich gegen eine unwürdige Abfindung kündigen zu lassen, denn es dauerte viele Monate, bis schließlich seine Unschuld bewiesen war.

Wirrwarr der Zuständigkeiten

Die Verwirrung steigerte sich noch in der Sorgerechtsverhandlung am 10. Mai 2013 vor dem Familiengericht Gießen. Denn dort erschien, anstelle des für zuständig befundenen Kreis­jugendamts Vogelsberg, eine Vertreterin des Kreisjugendamts Gießen. Der Anwalt von Herrn M. rügte in der mündlichen Verhandlung die Anwesenheit des unzuständigen Jugendamts. Nach Rechtsauffassung der Richterin sei das Kreisjugendamt Gießen am Verfahren zu beteiligen gewesen. Denn (Zitat Richterin Mann, dort ohne Hervorhebung): „Nach (…) § 86 Abs. 2 S. 2 SGB VIII richtet sich die Zuständigkeit des Jugendamts (…) nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind vor Beginn der Leistungsgewährung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.“ [9] Nun hatten vor Beginn der Leistungsgewährung die Kinder zum einen ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei beiden Eltern im Vogelsbergkreis und zum anderen hatten sie ihren tatsächlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung beim Vater (bei den Verwandten in der Stadt Gießen). Dazu sagt das von der Richterin zitierte Gesetz einen Satz weiter, S. 3: „Hatte das Kind (…) im Fall des Satzes 2 zuletzt bei beiden Elternteilen seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind (…) vor Beginn der Leistung zuletzt seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte.“ [10]Die Hilfemaßnahme begann ausweislich des Schreibens der ASD-Fachkraft am 21.06.2010 [11] im Vogelsbergkreis im Haushalt von Frau M.. Die Kinder befanden sich vor Beginn der Leistung, nämlich vom 11.04.2010 bis zum 05.07.2010 in der Obhut ihres in der Stadt Gießen lebenden Vaters. Demnach wären der Vogelsbergkreis, oder allenfalls die Stadt Gießen, mitnichten aber der Landkreis zur Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren zuständig gewesen. Kurios ist dabei, daß der Antrag auf Hilfe zur Erziehung an den Vogelsbergkreis in der mündlichen Verhandlung am 28.04.2010 in Gegenwart derselben Richterin am Amtsgericht Gießen unterzeichnet wurde.

Kindesentzug als Geschäftsmodell?

Fassen wir zusammen:

Ein Vater aus dem mittelhessischen Vogelsbergkreis bringt seine zwei Kleinkinder vor der Mißhandlung durch die Mutter in Sicherheit zu Verwandten nach Gießen. Er wird daraufhin jahrelang, solange sich eine Anklage irgendwie rechtfertigen läßt, als Kindesentführer verfolgt. (Behördliche Exzesse gegen die Verwandten seien hier ausgelassen.) Die amtlich festgestellte Neigung der Kindesmutter zur Gewaltanwendung [5] gegen die Kinder führt dazu, daß 4 (in Worten: vier) AEH-Helfer mit insgesamt mindestens (70+48=) 118 Stunden im Monat eingesetzt werden. Diese Fachkräfte gehören zu Firmen („Freien Trägern“), die sich, je nach abgerechneter „Maßnahme“ (bei mind. 52 Euro/Stunde), mit deutlich mehr als 6.000 Euro im Monat verdient machen. Der Steuerzahler muß zusätzlich, neben den „Auslagen“ (vom Benzingeld bis zur spendierten Eistüte) auch die ganze Infrastruktur im Hintergrund finanzieren. Im konkreten Fall darf er auch die Unterstützung für den in die Arbeitslosigkeit denunzierten Kindesvater tragen und über Krankenkassen-Beiträge die Behandlung der Traumatisierung bei Kindern und Vater übernehmen. Doch damit nicht genug:Die Maßnahmen der vier AEH-Kräfte, von denen nur eine überhaupt jemals berichtet hat, reichen nicht. So ist es fraglich, ob das erste der beiden Kleinen bald eingeschult werden kann. Das führt (zumindest in den drei Jahren der bisherigen Auseinandersetzung) nicht etwa dazu, daß der amtlich als erziehungsfähig erkannte Vater die Kinder bekommt, sondern dazu, daß eine 5. (i.W.: fünfte) Fachkraft bestellt wird, von der nicht einmal die vergüteten Stunden (geschweige denn die Erfolge) festgehalten werden. Das lukrative Geschäft mit dem Kindeswohl unter dem Segen der Familiengerichte sorgte nicht nur für Debatten im Gießener Stadtparlament und im Gießener Kreistag, wo eine Allparteienkoalition (z.T. sogar unter Ausschluß der Öffentlichkeit) jede inhaltliche Diskussion unterband. Es läuft schon eine erste Klage gegen eine veröffentlichte Dokumentation zu diesem „Geschäftsmodell“: Die Publikation eines Dokumentes des Gießener Kreisjugendamts habe ein geschütztes „Werk“, den Briefkopf des Landkreises Gießen, offengelegt und damit (so die Anklage) Urheberrechte verletzt. [12] Mit Spannung wird die Bekanntmachung des Gerichtstermins erwartet.

[1] Betreuung-Susanne

[2] Zuständigkeit – Jugendamt VB

[3] Antwort von Frau Stankov-JA-VB zur Familienhilfe – 29.10.12_geschwärzt

[4] LK-GI-VG

[5] AKTEN.GEFUNDEN.ANONYM_GESCHWAERZT

[6] Bericht-JA-VB_geschwärzt

[7] 2-Erziehungshelfer_geschwärzt

[8] Frau Ge._geschwärzt

[9] AG-GI-Zuständigkeit_geschwärzt

[10] Örtliche Zuständigkeit

[11] Einsatz-Familienhilfe_geschwärzt

[12] LGFFM2AJ1305.10-2

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